Fidelio schweigt
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Sie nahmen den Mund sehr voll – Beethovens Bewunderer von Schiller bis Bloch. Eine „Befreiungsoper“ sei „Fidelio“, eine „Utopie“ für die Menschheit. Gleichzeitig rang Beethoven mit dem formalen Korsett, in dem seine Oper steckte und das bis heute Inszenierungen einschnürt. Einen Ausweg fand die vielfach ausgezeichnete Komponistin Charlotte Seither in ihrem feministischen Zugang: Sie streift der Titelheldin Leonore ihre Männerkleidung ab, mit der sie sich noch unter dem Decknamen Fidelio in das Staatsgefängnis von Sevilla schleichen musste. Dort sitzt ihr Mann Florestan, ein politischer Häftling des Tyrannen Pizarro, und magert jeden Tag etwas mehr ab. In „Fidelio schweigt.“ tritt Leonore als autonome Frau dem Kerkermeister Rocco, Florestan und Pizarro gegenüber, der bereits Mordpläne gegen seinen Gefangenen schmiedet. Aber er hat nicht mit Leonores Mut gerechnet …
Charlotte Seither webt ihre geräuschhaften, expressiven Klänge direkt in Beethovens Original ein und stellt Leonore einen Frauenchor an die Seite – ausgestattet mit neuen Texten von Regisseur Hermann Schneider. Die emanzipatorische Vision aus „Fidelio“ bekommt ein Gesicht durch Leonore, die nach und nach die Menschen in ihrer Umgebung verwandelt. Aus der Formel „Treue Gattenliebe befreit Ehemann“ wird „Ehefrau befreit sich selbst“.